Mythologie der Griechen u. Römer

Mythologie der Griechen u. Römer

Mythologie der Griechen, Mythologie der Römer, die, hat mit allen Naturreligionen das Gemeinsame, daß sie die Natur vergöttert, den Schöpfer vom Geschöpfe nicht gehörig unterscheidet und ist weiter vorherrschend anthropomorphystischen Charakters. Ferner ist der speculative Werth derselben sehr gering, desto höher bei der griech. M. der poetische und künstlerische, bei der röm. der praktische u. historische. Weder die Griechen noch die Römer hatten heilige Bücher, noch einen eigentlichen abgeschlossenen Priesterstand, dafür gab es bei jenen Priester einzelner Götter für die Opferhandlungen, Dichter und Mysterien, bei diesen ganz und gar dem Staate dienstbare Priestercollegien (s. Augurn, flamen, haruspices, Pontifex, Salier u.s.f.), bei beiden Völkern zahlreiche Feste. Die Römer sind verhältnißmäßig arm an Mythen und dieselben tragen vorherrschend griech. Gepräge, dagegen sind die Griechen um so reicher daran. Es finden sich in denselben trotz aller Zersplitterung des Gottesbegriffes in viele einzelne Götter u. arger Vermenschlichung der letztern offenbar Anklänge vom Glauben an einen überweltlichen persönlichen Gott (vgl. Fatum), Erinnerungen an den Sündenfall (die Menschen stamm en ab vom Titanen Japetos, der den Himmel miterstürmen wollte), an die Folgen der Sünde (Pandora) sowie an die Sündfluth (Deukalion); so wenig Gewicht in beiden Religionen die Moral im höhern Sinne hat oder haben konnte, so malten sich doch namentlich die Griechen die Unterwelt mit ihren Todtenrichtern, die freudenvollen elysäischen Felder und den schrecklichen Tartarus, aus welchem kein Entrinnen ist, lebhaft genug aus. Hinsichtlich der Unterschiede der griech. und röm. M. ist festzuhalten: 1) die griech. Volksreligion war geschichtlich von kurzer Dauer, zur Zeit Jesu Christi längst eine unerhörte Vielköpfigkeit der religiösen Meinungen an ihre Stelle getreten, während die röm. namentlich auf dem Lande bis in die Zeiten Theodosius d. Gr. sich erhielt; 2) die griech. Religion war Poesie ohne besondere praktische Bedeutung, die röm. dagegen durch und durch prosaisch, auf die Bedürfnisse des alltäglichen Lebens berechnet, eine Staatsreligion, ihre Priester und gewissermaßen die Götter selber Staatsdiener; 3) die griech. Religion war original und abgeschlossen jedenfalls insofern, als der Hellene alles Fremde, das in seinen Bereich kam, gräcisierte, dagegen holten die Römer ihre Gottheiten aus Etrurien u. Griechenland u. später aus dem Orient. Die Weltstadt Ron wurde ein offener Markt für alle Götte und Culte und die fremden keineswegs innerlich mit dem Römerthum verschmolzen, sondern den bereits vorhandenen nur beigefügt und für die Zwecke des Lebens ausgebeutet. Der Hauptgrund, weßhalb das Juden- und Christenthum vom heidnischen Rom blutig verfolgt worden, lag bekanntlich in der den Grundvesten des röm. Staates widersprechenden Ausschließlichkeit dieser Religionen gegen alle andern. Heffter stellte in seiner Mythologie I. die Hauptgottheiten Griechenlands in folgender Ordnung auf: A. Gottheiten des lichten Oberreiches und zwar a) die Wesen des Himmels u. des Aethers: Uranos, Zeus, Dione (Dis), Helios, Selene (Mene), Eos und Hemera, die Thaugöttinen Herse u. Pandrosos, die Winde Aeolus, Boreas, Zephyros, Euros, Notos, die Harpyen u. Typhon, Iris, die Horen (Anatole, Thallo, Karpo) oder Irene, Dike und Eunomia. Dann b) die Gottheiten menschlicher Zustände und Verhältnisse, näher Gottheiten der Ehe: Aphrodite, Eros und Anteros, Himeros u. Pothos, Peitho, Hymen oder Hymenaios, Here und Eileithya; Gottheiten für Haus u. Staat: Hestia und Themis; Gottheiten der Schicksale, des Glückes u. der Strafe: Die Moiren (Klotho, Lachesis, Atropos), Tyche, Nemesis, Ate, die Erinnyen od. Eumeniden; Götterkreis menschlicher Fertigkeiten und Beschäftigungen: Pallas Athene, Hermes, die 9 Musen, Prometheus, Hephaistos, die Charitinen (s. Grazien), auch die Kriegsgötter Ares, Herakles, dann die Dioskuren u. Pan; Gottheiten des Erfolges menschlicher Thätigkeiten: Kronos als Aerntegott, Aristäus, Rhea u. Nike; endlich Gottheiten körperlicher Zustände: Hypnos, Hebe, Hygieia, Asklepios, Artemis u. Hekate, Thanatos, Ker und die Keren, Apollo. B. Die Gottheiten der Unterwelt: Nyx, Gäa, Aïdes, Demeter, Persephone, Bakchos, die Kabiren u. Hyakinthos. C. Gottheiten der Gewässer, nämlich Nymphen: Plejaden, Hyaden, Hesperiden; Potamiden oder Flußgötter: Acheloos, Alpheios, Asopos, Kephissos u. s. f; Meergötter: Nereus, Okeanos, Thetys, Poseidon, Proteus, Leukothea (Ino); die Gorgonen u. Gräen. – Die praktische Bedeutung der II. Götter Roms dauerte über 11 Jahrhunderte, historisch 754 v. Chr. bis um 390 n. Chr., wo Theodosius d. Gr. die letzten Heidentempel schließen ließ. In die 1. Periode (754–616 v. Chr.) fällt die Gestaltung der röm. M. durch Herbeiziehen altitalischer und namentlich etrurischer Gottheiten, in die 2. (616–201 v. Chr.) das Vermischen mit griech. Mythen, in die 3. (201–30 v. Chr.) das Einreißen von Unglauben einerseits, von krassem Aberglauben anderseits, besonders das Herbeiziehen orientalischer Gottheiten u. Culte (Phallus- u. Mythrasdienst, Astarte, Kybele, Isis und Osiris u.s.f.). Die letzte Periode (30 vor Chr. bis 390 n. Chr.) ist charakterisirt durch die allmälige Zersetzung u. Auflösung der altröm. Religion, wie des röm. Weltreiches überhaupt. Treten bei den Griechen und namentlich bei ihren Tragikern religiös-moralische Ideen manchmal großartig in den Vordergrund, so läuft die röm. M. dagegen fast ganz auf eine Religion des Diesseits hinaus; die Gunst der Götter hängt zum eist davon ab, daß ihre äußere Verehrung hochgehalten und die zahlreichen und genau geregelten Feste. Ceremonien u. Gebräuche streng beobachtet werden. Einen Hesiod oder Homer brachte Rom niemals hervor, erst spät befaßten sich Polybius, Terentius Varro, Cicero u.a. mit röm. M. – Statt der gewöhnlichen Eintheilung, welche den 12 oberen Göttern: Jupiter, Neptun, Pluto, Vulcan, Mars, Mercur, Juno, Venus, Vesta, Minerva, Ceres und Diana 12 untere beigesellt. erscheint als dem Geiste der röm. entsprechender folgende Eintheilung: A. Gottheiten der Oberwelt und zwar 1) physischer Gegenstände u. Kräfte: Jupiter (optimus maximus), Juno, Sol, Luna, Mater Matuta, Tempestates (Wind- u. Sturmgeister), Vulcan, Neptun, Portumnus (Gott der Schiffshafen), die Quellen-. Fluß- und Meergötter (die Nymphe Egeria); 2) Gottheiten menschlicher Verhältnisse und Zustände, nämlich a) des Hauses und der Familie: Vesta, die Laren und Penaten, die Lemures; b) physischer Zustände des Menschen: der Genius, die Levana, Juventus, Pollentia, Fessonia, Strenia, Salus, Febris, Aesculap (Asklepios, seit 293 v. Chr. in Folge einer Pest in Rom verehrt), Apollo als Gott der Orakel und Gesundheit; c) Gottheiten geistiger Zustände: Minerva und Mens, Pudicitia, Pietas, Fides, Concordia, Virtus, dann Spes, Pallor und Pavor, Venus, Amor und Cupido; d) Ehegötter: die Camelae virgines, Thalassio, Diana, auch Hekate; e) Gottheiten menschlicher Beschäftigungen: Terra od. Tellus, Saturnus und Ops, Silvanus, Faunus (später Faunus Lupercus; Lupercalien), Terminus, Ceres, Liber und Libera (später mit den Bachanalien der Cult des Mutumnus und Priapus verbunden), die Bona Dea und Magna Mater, Robigus und Robigo, Flora, Vertumnus, Pomona, Annona, Pales (Palilien) u.a. für Landbau u. Viehzucht, Mercurius für Handel u. Wandel, dann Mars, Bellona, Quirinus (Janus). Herkules. Pollux. Castor und Victoria für den Krieg; f) Schicksalsgötter: das Fatum, die Parzen, Janus und Fortuna, dann Libertas, Pax, Honor und Nemesis. B. Gottheiten der Unterwelt: die Manen, Terra oder Tellus, Dis oder Pluto u. Proserpina. – S. über alle die genannten Götter die betr. Art., dazu Mysterien. Mythographen, Mythologie.


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