Vendée

Vendée

Vendée (Wangdeh), frz. Depart., nach einem Flüßchen genannt, das alte Unterpoiton, 124 QM. groß mit 383000 E., die hauptsächlich von Ackerbau und Viehzucht leben, ist eingetheilt in die Arrondissements Bourbon-V., Fontenay le Comte, Sables d'Olonne; Hauptstadt ist Napoleon. V., vor 1853 Bourbon-V. genannt. – Diese Gegend, so wie die benachbarten Depart. (im ehemaligen Poitou u. Anjou) waren 1793–96 der Schauplatz eines Bürgerkriegs, des sog. V. kriegs, der an Gräueln die Hunnen- und Mongolenkriege übertraf. Die Bewohner jener Gegenden bestanden, wie noch gegenwärtig, hauptsächlich aus Bauern; große Städte gibt es dort nicht; unter ihnen wohnte ein patriarchalischer Landadel, der ohne Luxus sich mit geringen Naturalabgaben begnügte; es gab auch keine reichen Klöster im Lande, dagegen standen die Pfarrer, die aus dem Volke selbst hervorgegangen waren, im größten Ansehen. Diesem Volke waren schon die Anfänge der Revolution in hohem Grade zuwider; die Edelleute wurden zu Maires gewählt, mußten ihre Ehrenplätze in der Kirche behalten, die Pfarrer mußten den Constitutionseid verweigern u. als der Convent gegen die Kirche einen Vernichtungskrieg erklärte, den König einkerkerte u. massenhafte Metzeleien unter den Verdächtigen anrichtete, endlich die gesammte junge Mannschaft auch in der V. ausheben wollte, brach den 10. März 1793 in dem Flecken St. Florent unter den Conscribirten der Aufstand los und verbreitete sich schnell über das ganze Land. Die Bauern kämpften theils unter adeligen Anführern (d'Elbée, La Roche-Jacquelin, Bonchamps, Charette etc.), theils unter Leuten aus ihrer Mitte, wie Cathelineau u. Stofflet; die hügelige Beschaffenheit des Landes, die vielen Hohlwege, der Mangel an Straßen, vor allem die dichten und hohen Hecken, mit welchen die einzelnen Grundstücke umfriedigt waren, begünstigte die V.r sehr; sie feuerten auf die anrückenden Colonnen der Blauen (so hießen die Republikaner wegen ihrer Uniform) aus ihren Verstecken, umwickelten sie und sprengten sie durch einen ungestümmen Massenangriff aus einander, wenn sie dieselben in Unordnung gebracht hatten. Ohnedies bestanden die republikanischen Heere anfangs nur aus Nationalgarden und Rekruten, demnach aus ungeübter Mannschaft; sie wurden deßwegen überall geschlagen, entscheidend am 24. Mai bei Fontenay; die Royalisten aus andern Gegenden Frankreichs verstärkten die Reihen der V.r, am 24. Juni wurde Saumur u. damit ein Uebergangspunkt über die Loire genommen. Allein der Convent gewann durch das anfängliche Waffenunglück gegen das Ausland tüchtigere Streitkräfte gegen die V.; durch die Capitulationen von Mainz u. Valenciennes waren die Besatzungen dieser Plätze verpflichtet 1 Jahr lang nicht mehr gegen die Verbündeten zu fechten, deßwegen wurden sie gegen die V. dirigirt u. versetzten derselben unter Kleber, Marceau, Westermann etc. die tödtlichen Streiche. Im Sept. wurde blutig und lange ohne Entscheidung gefochten, bis die Blauen am 17. Oct. bei Chollet einen vollständigen Sieg errangen. Auf Befehl des Convents durchzogen sog. höllische Kolonnen das Land um dasselbe auszumorden, daher wurden die Heerhaufen der V.r von einer Menge Greise, Weiber u. Kinder begleitet, die Schutz vor der Wuth der Republikaner suchten. Der Kriegsrath der V. glaubte die Rettung nur in der Ausbreitung des Aufstands finden zu können; er rechnete auf eine allgemeine Erhebung der Maine u. Bretagne, daher setzten am 19. u 20. Octbr. 80000 Menschen über die Loire, darunter 30000 Streiter; sie siegten mehrmals in mörderischen Kämpfen, bestürmten aber am 3. u. 4. Dec. Angers vergebens, Maine u. Bretagne erhoben sich nicht, eine engl. Expedition fand keinen Landungsplatz u. kehrte heim, am 12. Dec. siegten die Blauen unter Marceau bei Le Mans, am 16. bei Ancenis, am 18. bei Niort, am 23. bei Savenay, wo der Rest der Flüchtigen vernichtet wurde; alle Gefangenen wurden jedesmal ohne Unterschied des Alters u. Geschlechts erschossen. Charette war nicht über die Loire gefolgt, wurde aber jetzt aus der Nieder-V. (le Marais) vertrieben u. flüchtete mit wenigen Leuten in die Wälder der Bocage (das Waldland der östl. V.), wo er die wenigen Geretteten der Loirearmee an sich zog u. den kleinen Krieg fortsetzte. Unterdessen wütheten die Commissäre des Convents in der V. fort, bis der Sturz Robespierres auch hier ein milderes Verfahren anbahnte. Da Charette sich mit Stofflet überworfen hatte, so kam im Febr. 1795 ein Vertrag zu Stande, der den V.rn Amnestie, freie Uebung der kath. Religion u. Conscriptionsfreiheit gewährte, ja die royalist. Chefs durften sogar als »garde territoriale« 3000 Bewaffnete halten. Beide Theile wollten dadurch nur Frist gewinnen u. als 1795 im Sommer eine große engl. Expedition angekündigt wurde, die ein Emigrantenheer in der Bretagne an das Land setzen würde, so erklärten die Chefs der V.r der Republik abermals den Krieg; allein die Bauern folgten ihrem Rufe nicht mehr, die engl. Expedition fand bei Quiberon ihren Untergang u. Charette, Sapineau, Stofflet etc. wurden nach langem Umherirren gefangen und erschossen. Die späteren Aufstände der V. hatten wenig mehr zu bedeuten, indem sich nicht mehr die Masse des Landvolks erhob, sondern die Agenten der Bourbons nur die Bedienten einiger Adeligen, junge Leute, welche sich der Conscription nicht unterwerfen wollten etc. zusammenbrachten (1815, 1832); in neuester Zeit scheint die V. sogar entschieden napoleonisch geworden zu sein. – Vergl. Chouans.


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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