Pestalozzi

Pestalozzi

Pestalozzi, Joh. Heinrich, geb. 1746 zu Zürich, gest. 1827 zu Brugg im Aargau, der berühmteste Pädagog der Neuzeit, ein Mann von dem edelsten Willen beseelt, aber bis an das Grab von Leiden u. Enttäuschungen verfolgt. Als Rationalist vermochte er seinem Systeme der Erziehung die positive religiöse Grundlage nicht zu geben, verkannte er die innerste Natur des Menschen und glaubte denselben durch die Erziehung nach den von Rousseau, Basedow u. ihm selbst aufgestellten Grundsätzen zu einem guten Bürger für Erde und Himmel heranbilden zu können. Als Methodiker verlor er sich wie die meisten Autodidakten in einseitiger, beschränkter Richtung, durch seine Unkenntniß der Menschen aber u. seine vielmal selbst eingestandene Unfähigkeit, die Direction und öconomische Verwaltung eines Instituts zu führen, bereitete er sich viele Nachtheile und Bitterkeiten. P.s Hauptverdienst besteht in der mächtigen Anregung des Zeitgeistes für Unterricht u. Erziehung, sodann in der Aufstellung der methodischen Hauptgrundsätze: 1) die Anschauung des Gegenstandes müsse in steter Verbindung mit dem Unterrichte über denselben sein; 2) der Fortschritt im Unterrichte geschehe lückenlos vom Einfachen zum Zusammengesetzten, vom Leichten zum Schweren. Indem man diese beiden Grundsätze als wahr anerkennt, muß man doch zugeben, daß der erste sich nicht auf jeder Stufe des Unterrichts durchführen läßt u. der zweite zur größten Pedanterei führt, wenn man der Auffassung des Schülers durch die Aufstellung eines sog. lückenlosen Systems Zwang anthut (wie dies von P. und vielen seiner Schüler geschah). Die Idee der Armenschulen (s.d.) griff P. mit Begeisterung auf, vermochte es zwar nicht sie durchzuführen, erlebte jedoch die Freude, daß es seinem Nachbar Fellenberg in Hofwyl gelang. – P. studierte zuerst Theologie, dann Rechtswissenschaft, wurde namentlich durch Rousseau u. Basedow für die Reformation des Menschengeschlechts durch die Jugenderziehung begeistert, gründete aus verwilderten Grundstücken bei Birr (im Aargau) sein Gut Neuhof, nahm darin 50 verwahrloste Kinder auf, wurde ihr Ernährer, Erzieher und Lehrer, verlor aber fast sein ganzes Vermögen eben sowohl durch seine öconomischen Fehler als durch die Untreue Anderer. Von 1798 auf 99 verpflegte er 80 Kinder zu Stanz, welche bei der Eroberung Nidwaldens durch die Franzosen Waisen oder Bettler geworden waren, wurde hierauf Director des Schullehrerseminars zu Burgdorf, das 1804 als P.s Privatinstitut nach Münchenbuchsen u. von dort nach Yverdon übersiedelte. Hier erlebte P. seine Glanzperiode aber auch die größten Bitterkeiten; sein einfaches deutsches Erziehungshaus wurde zu einem vornehmen halbwälschen Pensionat, P. vermochte es weder zu dirigiren und zu verwalten, noch den Ausbruch giftiger Feindschaft unter seinen Lehrgehilfen zu verhindern, er selbst sah sich u. sein System einer Menge Angriffe bloßgestellt und fand es 1825 für nothwendig, sein Institut zu schließen. Gebrochenen Herzens und von lieblosen Angriffen auch dann noch verfolgt, zog er sich nach Neuhof zurück und st. 15. Februar 1827 in dem benachbarten Brugg. (Gesammelte Schriften, 15 B., bei Cotta, 1819–26).


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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