Gervinus

Gervinus

Gervinus, Georg Gottfr., geb. 1805 zu Darmstadt, zuerst Kaufmannslehrling u. Ladendiener, wandte sich 1826 hauptsächlich dem Studium der deutschen Literatur u. neuern Poesie zu, wurde 1836 Prof. der Literaturgeschichte in Göttingen, mußte 1837 als einer der Sieben wandern und wurde 1844 Honorarprofessor in Heidelberg; 1848 kurze Zeit als Mitglied der Nationalversammlung thätig, zog er sich von dem öffentlichen Leben auf die schriftstellerische Thätigkeit zurück. Hauptwerk: »Geschichte der poet. Nationalliteratur der Deutschen«, Leipz, 1835–38, dem niemand Gelehrsamkeit, Scharfsinn u. treffliche Darstellung absprechen wird; dessenungeachtet wird aber der Kenner der deutschen Geschichte das Urtheil bestätigen, daß G. wegen seiner Entfremdung gegen die positive Religion die Fähigkeit einer wahrhaften Würdigung der bedeutendsten Erscheinungen nicht besitzt. Auch als Politiker bewährte er sophistische Selbstgenügsamkeit; er gründete die »Deutsche Zeitung« 1847, die nach wenigen Wochen allgemein als »Professorenzeitung« betitelt wurde, in welcher er mit andern protestantisirenden Doctrinärs jene Art von Constitutionalismus docirte, durch welchen Preußen sich die Hegemonie über Deutschland erwerben sollte. Das Auftreten Ronges feierte er 1845 mit der »Mission der Deutschkatholiken«, worin er zeigen wollte, daß durch den sog. Deutschkatholicismus in dem gemeinen Volke die Erkenntniß Leben und Form gewinne, die bei den Gebildeten als Rationalismus seit einem Jahrh. herrsche, aber wegen dieser Beschränkung auf die zerstreuten Höherstehenden unmöglich etwas wie eine kirchliche Genossenschaft habe gründen können. Wenige Jahre reichten hin um G. thatsächlich zu widerlegen, nichts desto weniger nahm er in seiner »Einleitung in die Geschichte des 19. Jahrh.«, Leipz. 1853, abermals histor. Prophetengabe in Anspruch; der gleiche Mann, der 1847 und 48 das Heil in dem Constitutionalismus angeschaut u. verkündet hatte, bekannte, als das Wunderkind in Frankfurt u. Erfurt sich nicht als polit. Messias qualificirte, daß er sich geirrt habe, die Zeit gehe jetzt mit der Demokratie schwanger und werde nach Ablauf der Frist die Republik gebären, d.h. G. fand 1853, daß Hecker und nicht Dahlmann, Gagern etc. 1848 auf der rechten Fährte gewesen seien. Die stümperhafte aber marktschreierische Schrift ist bereits vergessen, obwohl deutsche Regierungen ihr so viel Aufmerksamkeit schenkten, daß sie dieselbe confisciren ließen. G. gab, auf das ästhetische Gebiet zurücktretend, Leipzig 1849–50 seine Studien über »Shakespeare« heraus; das Buch wurde von seinen Gesinnungsgenossen mit Zuruf empfangen, wir zweifeln aber sehr, ob es in 5 Jahren noch die gleichen Ansprüche geltend machen könne.


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