Baden [1]

Baden [1]

Baden, Großherzogthum, der 7. deutsche Bundesstaat, 275,63 QM. groß mit 1356943 E., von denen etwas über 900000 Katholiken, über 430000 Protestanten, etwa 2000 Sektirer, 24000 Juden sind. Baden erstreckt sich vom Main bis an den Bodensee in einer Länge von 62 M.; im Norden ist es 14 M., in der Mitte 23/4 M., im Süden 191/2 M. breit und gränzt an Bayern, Hessendarmstadt, Rheinbayern, Frankreich, die Schweiz, Preußischhohenzollern und Württemberg. Einen beträchtl. Theil des bad. Landes nimmt der Schwarzwald ein; er berührt an den Quellbächen der Donau und der Wutach die Juraformation und erstreckt sich in nördl. Richtung bis Heidelberg, beständig von dem Rheine begleitet, dessen Thal sich von dem Breisgau an in die Rheinebene erweitert; aus der breisgauischen Ebene erhebt sich der basaltische Gebirgsstock des Kaiserstuhls bis 1780'. Der westl. Abfall des Schwarzwaldes ist ziemlich schroff und bildet deßwegen tief eingeschnittene Thäler, im Osten dagegen dacht er sich allmälig zu den schwäbischen Hochebenen ab. Sein Hauptstock ist der Feldberg, 4597' hoch; andere Höhen: der Blauen 3586', der Belchen 4313', der Kandel 3903', das Herzogenhorn 4300' u.s.w. Die wichtigsten Pässe sind: der Höllenpaß, der von der Rheinebene an die Donau und den oberen Neckar, der Kniebis, der an den mittleren Neckar führt. Den Kern des Gebirgs bildet die Granit-Gneußformation, daher der Reichthum an trefflichen Quellen und eine üppige Waldvegetation; vielfach überlagert diese Formation der ältere Sandstein, östl. lehnt sich der rothe Sandstein an, nordöstl. die Kalkformation. Der Jura setzt aus der Schweiz unterhalb und bei Schaffhausen über den Rhein, sinkt aber zu einer Hochfläche ein, die an ihrem Rande von den Phonolithkegeln des Hegaus (Hohenstoffeln, Hohentwiel, Hohenhöwen u.s.w.) durchbrochen wird und zieht dann als Heuberg in das Württembergische. Von dem oberschwäb. Plateau reicht ein Zug (der Heiligenberg 2206' hoch) den Bodensee entlang bis an die Juraformation und bildet mit dieser die Wasserscheide des Rheins und der Donau. An den Schwarzwald, der sich aber unterhalb Pforzheim verflacht, schließt sich der Odenwald an, der einen Theil des Landes zwischen dem Neckar u. Main füllt und sich im Katzenbuckel, 1917' erhebt; vorherrschend ist der bunte Sandstein, an den sich südöstl. der Muschelkalk anlegt. – Baden gehört größtentheils dem Rheingebiete an, welcher Strom das Land südl. und westl. umsäumt; er ist von Konstanz bis Schaffhausen und von Basel an fortwährend schiffbar; seine bedeutendsten Zuflüsse sind: Wutach, Wiese, Elz mit Treisam, Kinzig, Murg, Pfinz, der schiffbare Neckar; der Main berührt die Nordgränze und nimmt die Tauber auf. Von der Donau hat Baden nur die Quellbäche. An dem Bodensee hat es unter den 6 an dieses Becken stoßenden Staaten den größten Antheil; die anderen Seen sind unbedeutende Gebirgsseen: Titisee, Schluchsee, Feldsee, Mummelsee, Ilmensee u.s.w. – Das Klima des Landes ist bei seiner verschiedenen Erhebung sehr abwechselnd, im allgemeinen jedoch sehr gesund und günstig; der Weinstock und Nußbaum geht bis 1400' über dem Rheine, der Obstbau bis 2400', Getreide und Kartoffel bis 3500', und nur auf wenigen Höhen hört der Waldwuchs und aller Anbau auf. Im Ganzen ist Baden eines der fruchtbarsten, wohlangebautesten u. darum schönsten Länder Europas; das Ackerland ist = 97 QM., Waldung = 85 QM. (davon 15 QM. Staatseigenthum), Wiesen und Weiden = 41 QM., Weinland = 5 QM., Gartenland = 31/2 QM.; Ortschaften, Straßen, Gewässer u.s.w. = 44 QM. B. erzeugt: Weizen, Dinkel, Gerste, Roggen, Hafer, Mais, Kartoffeln, trefflichen Hanf und Flachs, Hopfen, Reps, Mohn, Hülsenfrüchte, alle Gemüse, Tabak (1851 Centner 135496 zu einem Erlös von 1816584 fl.), treffliches Obst, besonders Walnüsse und Kirschen, gute Weine (durchschnittlich 407504 Ohm, die Ohm = 100 Maß); die Waldungen liefern Bau- und Brennholz im Ueberfluß und zur Ausfuhr. Nicht minder günstig ist der Viehstand, man rechnet: 80000 Pferde, 570000 Rinder, 200000 Schafe, 490000 Schweine, 24000 Ziegen, 14030 Bienenstöcke. Das Mineralreich liefert: Silber (600 Mark), Eisen (170000 Ctr.), Blei, Bleiglätte, Kupfer, Kobalt, Braunstein, sehr viel Galmei bei Wiesloch, Alaun, Vitriol, Marmor, Alabaster, Sandstein, wenig Steinkohlen, Torf, hinlänglich Salz, etwas Waschgold im Rheine. Mineralquellen hat B. im Ueberfluß (60); die bekanntesten sind: Baden-Baden, Badenweiler, Rippoldsau, Rappenau, Langenbrücken, Antogast, Ueberlingen u.s.w. Die Industrie liefert: Wollen- u. Baumwollenwaaren, Leder, Bijouteriewaaren (Pforzheim), Rauch- und Schnupftabak, Cichorienkaffee, Glas, Papier, Fayence, Rübenzucker, Uhren (Schwarzwald), Strohgeflechte u.s.w. Ausgeführt wird: Holz, Getreide, Wein, Obst, Vieh, Flachs, Hanf, Bijouteriewaaren, Uhren, Tabak, Cichorie, Papier, Glas; die Einfuhr ist dieselbe wie nach den anderen Zollvereinsstaaten, sie übersteigt jedenfalls die Ausfuhr. Der Handel ist hauptsächlich Transithandel, wozu das Land die günstigste Lage hat; Haupthandelsplatz ist Mannheim. Die Münzwährung ist der 241/2 Gulden-Fuß, 1 Gulden = 48 Kreuzer österr. Münze, 17 1/2 Sgr. preuß. Cour. Die Staatseinnahmen betrugen nach dem Budget von 1850/51 = 29733947 fl., die ordentl. Ausgaben sind für 1852/53 angesetzt zu 28737107 fl.; die Staatsschuld war 1851 = 25384801 fl., die Eisenbahnschuld 32699463 fl., das Papiergeld 2 Mill. Das bad. Heer ist ein Theil des deutschen 8. Armeecorps und beträgt 15000 Mann. – Für den Unterricht sorgen 2 Universitäten (Freiburg und Heidelberg), 6 Lyceen, 4 Gymnasien, 13 Pädagogien, 1 polytechnische Schule, in den größeren Orten Real- und höhere Bürgerschulen, 3 Schullehrerseminarien, und die Elementarschulen, die keiner Gemeinde fehlen. – Die Verfassung ist die monarchisch-constitutionelle; Regent seit 1852 ist Prinz Friedrich, geb. den 9. Sept. 1826. – Das bad. Regentenhaus stammt von einer Seitenlinie der Zähringer, deren Besitzungen es aber nur zum kleineren Theile erbte, weil der Kaiser die Reichslehen an sich zog; schon 1190 theilte es sich in 2 Linien, Baden und Hochberg, von denen letztere 1501 ausstarb. Die bad. Linie mehrte ihren Besitz durch das hochberg. Erbe und verschiedenen Ankauf, theilte sich aber 1527 in Baden-Baden und Baden-Durlach; dieses führte die Reformation ein und erbte 1771 das mit seinen Herrschern kathol. gebliebene Baden-Baden; der zweitletzte Markgraf von Baden-Baden war der berühmte Feldherr Ludwig (der Türkenludwig); der letzte August Georg st. 1771. Markgraf Karl Friedrich, gest. 1811, erweiterte während der napoleonischen Kriege B. zu seinem jetzigen Umfange, nahm 1803 den Titel Kurfürst, 1806 den großherzoglichen an. Ihm folgten Großherzog Karl (1811–1818), Ludwig (1818–1830), Leopold, aus einer morganatischen Ehe des Großherzogs Karl Friedrich entsprossen, (1830–1852). Unter diesem Fürsten erlangte zuerst der Liberalismus das Uebergewicht, bemächtigte sich der Kammern, der Beamtenwelt und der Schule, so daß die Regierung gegenüber dem Volke isolirt dastand; 1848 pflanzte sich die Revolutionspartei an die Stelle des Liberalismus, der bei dem Volke wegen seiner Unfruchtbarkeit allen Credit verloren hatte, und es gelang ihm unter der Maske nationaldeutsch. Bestrebungen die Volksmasse zu bethören, das Militär zu verführen, und da von den deutschen Nachbarn keine Hilfe geleistet wurde, die Staatsbeamten theilweise keinen Willen, theilweise keine Kraft hatten, so bemächtigte sich die Revolution im Sommer 1849 des ganzen Landes. Man sah das bisher in Deutschland nie vorgekommene Schauspiel, daß eine Empörung gegen einen Fürsten ausbrach und glückte, dessen Herzensgüte allgemein anerkannt war, der den allseitigen loyalen Versicherungen trauend dem Liberalismus den Lauf gelassen, der alle Beschlüsse des Parlaments in Frankfurt anerkannt hatte, es geschah in dem schönsten und fruchtbarsten Lande, dessen Bewohner einer freien Verfassung genossen, nicht mit Abgaben bedrückt waren und in einer den meisten anderen deutschen Stämmen unbekannten Behaglichkeit lebten; daß B. nicht an das Ausland verrathen wurde, war nicht Verdienst der Revolutionsmänner, sondern Gunst der Umstände, Dieser lüderlichsten aller Revolutionen machte der Einmarsch eines preußischen und eines deutschen Bundescorps ein Ende, und im Novbr. 1850 zogen die Preußen wieder ab, als wegen der Union ein Krieg mit Oesterreich und dessen deutschen Verbündeten drohte, so daß B. wieder selbstständig an seiner Reconstituirung arbeiten konnte. (Ueber die bad. Empörung vergl. Bekk, die Bewegung in B. (Mannheim 1850); Häußer, Denkwürdigkeiten zur Gesch. der bad. Revolution (Heidelberg 1851), und diesen gegenüber: von Andlaw, der Aufruhr und Umsturz in Baden (Freiburg 1850).


http://www.zeno.org/Herder-1854.

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